19. April 2005: Konklave geht nach 2. Tag erfolgreich zu Ende: Deutscher wird Papst, Joseph Kardinal Ratzinger -- Habemus Papam! Bilder

          

Habemus Papam!                                                                                    1,2 Mrd. Katholiken atmen auf

Ein Nachfolger für Papst Johannes Paul II. ist gefunden - und es ging schneller als gedacht!

Joseph Ratzinger nennt sich ab sofort Benedikt XVI. und gibt sich damit die Bedeutung des "Gesegneten", "Gepriesenen".

Seine ersten Schritte als Papst Benedikt XVI. tat er mit äußerstem Bedacht, mit großer Vorsicht. Jubelnde Menschenmengen, frenetischer Beifall - so etwas war dem Joseph Kardinal Ratzinger aus dem bayerischen Marktl bisher so gut wie nicht vergönnt.

Beinahe schüchtern schien sich der 78-Jährige zu bewegen, die Mittelloggia des Petersdoms in Rom ist schließlich für ihn fremdes Terrain - sie ist für Päpste reserviert.

Es ist erst wenige Wochen her, da wurden Stimmen, die auf Ratzinger als neuen Papst setzten, geradezu verlacht. "Wer will nach dem in Glaubensfragen so konservativen Polen einen noch Konservativeren!", meinten selbst ansonsten eher zurückhaltende Vatikankenner.

Ratzinger - das war lange Zeit eine Art "Anti-Kandidat". "Vor allem die deutschen Kardinäle sind ganz strikt gegen ihn", wussten italienische Zeitungen zu berichten. (Auf diesem Bild: Ganz eindeutig Fans des Italieners Martini ...)

Wie konnte die Wende geschehen, fragen sich in Deutschland viele Kritiker, der "fortschrittliche Flügel der Kirche" vor allem.

Im Ausland wird das oftmals ganz anders gesehen: "Ratzinger ist im Augenblick der Mann, der in diesen bewegten Zeiten am besten Ruhe, Ordnung und Kontinuität in die Kirche bringen kann", meint ein Theologe in Rom.

Die Probleme der Kirche liegen auf der Hand: Herausforderung des Islam, "Renaissance des Glaubens" in vielen Teilen der Welt, Anwachsen der Sekten und Kleinkirchen in vielen Teilen Afrikas und Lateinamerikas.

Dazu kommen Armut und die negativen Folgen der Globalisierung. "Die Risiken der Kirche sind groß", meint ein Kenner, "aber die Chancen sind noch größer."

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hofft, dass Joseph Ratzinger als Papst den Dialog zwischen Christen und Muslimen fortsetzt.

"Der Kardinal war schon immer die rechte Hand von Papst Johannes Paul II. und hat mit Sicherheit viel dazu beigetragen, dass die Öffnung in den letzten Jahren diese Priorität bekommen hat", sagte der Vorsitzende Nadeem Elyas.

Als Deutsche seien die Muslime doppelt glücklich über die Wahl Ratzingers.

Die Russisch-Orthodoxe Kirche erhofft sich von dem neuen Papst Benedikt XVI. aus Deutschland eine Verbesserung des gespannten Verhältnisses: " Unter dem Pontifikat Kardinal Ratzingers wird die missionarische Tätigkeit der katholischen Kirche in Russland nachlassen", sagte der orthodoxe Theologe Andrey Kurajew in Moskau.

Ratzinger, der "Chefdenker", der einstige Professor, kennt sich bisher eher am Katheder und am Schreibtisch aus.

Die Situation heute: Mehrere Minuten, fast quälende Minuten dauerte es, bis ein Lächeln über sein Gesicht huschte.

Wird der kühle Verstandesmensch Ratzinger den Umgang mit den Massen lernen, mit Hunderttausenden Gläubigen, die fortan zu ihm aufschauen werden? Nach dem "Medienpapst" Johannes Paul II. waren diese ersten Minuten vor dem Glaubensvolk auch so etwas wie eine Feuerprobe.

"Liebe Brüder, liebe Schwestern, nach dem großen Papst Johannes Paul II... " beginnt er seine Rede bedächtig, ...

... "bin ich nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn", ruft er der Menschenmasse auf dem Petersplatz zu. Und tatsächlich, das ist er, der Ton, der in dieser Stunde auf dem Petersplatz ankommt.

Die Menschenmenge jubelt, sie rast fast vor Begeisterung - die Kritik, die in Deutschland mitunter auf den Kardinal niederprasselt, ist hier im fernen Rom so gut wie unbekannt.

Die Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger zum Papst ist aus Sicht des katholischen Theologen Hans Küng eine "Riesenenttäuschung" für alle Reformorientierten.

Allerdings gebe der gewählte Name Benedikt XVI. Hoffnung, dass der Papst einen gemäßigten Kurs einschlagen könnte, sagte der Tübinger, dem der Vatikan vor 25 Jahren die Lehrerlaubnis entzog.

Warum Benedikt? Vielleicht, weil Benedikt XV. ein Papst des friedevollen Miteinanders war: Er bemühte sich Anfang des 20. Jh. darum, die Spannungen zwischen Traditionalisten und den Anhängern einer behutsamen Modernisierung ...

... der Kirche zu überwunden. In einer ähnliche Situation befindet sich die katholische Kirche der Gegenwart.

"Wie bei einem Präsidenten der USA, sollte man einem neuen Papst 100 Lerntage zubilligen." Der neue Pontifex stehe vor einem Berg unerledigter Aufgaben.

Gefeiert wurde aber auch schon!

Im Wirtshaus "Oberbräu" in Marktl am Inn - direkt gegenüber dem Geburtshaus des prominentesten Sohnes der Gemeinde (hier im Bild) - läuft am Dienstag pausenlos der Fernseher.

Die versammelten Bürger der 2.700-Einwohner-Gemeinde in Oberbayern halten Joseph Ratzinger allemal für fähig, neues Kirchenoberhaupt zu werden.

"Er wäre der geeignete Papst", meint etwa Josef Winichner, noch bevor der weiße Rauch aus dem Kamin der Sixtinischen Kapelle steigt. Allerdings gibt der 67-Jährige auch zu bedenken: ...

"Das Amt wäre eine Zumutung für einen 78-Jährigen." Stolz auf ihren Ratzinger sind die Dorfbewohner so oder so, auch wenn die Wahl anders ausgegangen wäre.

Die Menschen an den Stammtischen der fünf Wirtshäuser von Marktl hatten daran gezweifelt, dass Ratzinger wirklich Papst werden wollte. "Ich glaube, der Ratzinger sagt im Konklave selber: ...

"Oh Herr, lass diesen Kelch an mir vorübergehen", gibt ein Bewohner seines Heimatortes zum Besten.

Aber nun ist es egal, denn gewählt ist gewählt.

Seine ersten Worte waren recht demütig: "Mich tröstet die Tatsache, dass der Herr selbst mit unzureichenden Werkzeugen zu arbeiten und zu handeln weiß. Und vor allem vertraue ich mich Euren Gebeten an. ...

... Mit der Freude des auferstandenen Herrn und im Vertrauen auf seine ständige Hilfe werden wir voranschreiten. (auf dem Bild mit seinem Bruder Georg Ratzinger, der sich zwar freut, aber doch auch Sorgen um die Gesundheit seines jüngeren Bruders macht).

... Der Herr wird uns helfen und Maria, seine heiligste Mutter, wird an unserer Seite sein. Ich danke Euch."

 

Ratzinger ist der erste deutsche Papst seit 482 Jahren.

 

In Deutschland löste die Wahl Ratzingers Stolz und Freude bei Kirchenführern und Politikern aus.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sprach von einer "großen Ehre für Deutschland".

 

Benedikt XVI. sei ein würdiger Nachfolger des vor 17 Tagen gestorbenen Johannes Paul. "Ich gratuliere ihm im Namen der Bundesregierung und aller Bundesbürger", sagte Schröder in Berlin.

Er freue sich schon jetzt, das neue Kirchenoberhaupt beim Weltjugendtag in Köln im August willkommen zu heißen.

Nach Ansicht des Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick wird Ratzinger das Erbe seines Vorgängers, Papst Johannes Paul II., aufgreifen und weiterführen.

Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, gratulierte dem neuen Papst: "Ich bin sicher, dass er den von Papst Johannes Paul II. eingeschlagenen erfolgreichen Weg der Verständigung zwischen Christen und Juden zum Wohl beider Religionen intensivieren wird."

In Lateinamerika, wo knapp die Hälfte der 1,1 Mrd Katholiken lebt, reagierten dagegen viele enttäuscht. Mehrere lateinamerikanischen Kardinäle hatten ebenfalls als "papabile" gegolten.

Die im Konklave versammelten 115 Kardinäle entschieden sich für den deutschen Kurienkardinal vermutlich im vierten Wahlgang.

Notwendig war eine Zweidrittelmehrheit, also mindestens 77 Stimmen. Die Entscheidung fiel nur 26 Stunden, nachdem die Papstwähler in die Sixtinische Kapelle eingezogen waren. Es war eines der kürzesten Konklaven in der Kirchengeschichte.

Ratzinger hatte bis zuletzt als einer der Favoriten gegolten. Der frühere Erzbischof von München und Freising ist der 265. Papst in der Kirchengeschichte und der achte Deutsche auf dem Stuhle Petri. Auf dem Bild: Papst Benedict XV., sein Namensvorgänger, ...

... der sich im ersten Weltkrieg vergeblich als Friedensvermittler einsetzte und sogar Geld des Vatikans gegeben haben soll, um die Friedenbemühungen zu unterstützen. Er starb am 22.1.1922 - sein Werk ist die innere Reform der Kurie. (Foto: Mit Franz Josef Strauß)

Der evangelische Landesbischof Ulrich Fischer sagte in Freiburg: "So glücklich sind wir über die Wahl nicht."

Ratzinger habe als Leiter der Glaubenskongregation dem ökumenischen Gedanken keine Chance gegeben. Ein Papst aus Lateinamerika wäre jedoch die bessere Wahl gewesen.

Bundespräsident Horst Köhler hat dem neuen Papst Benedikt XVI. Mut und Kraft gewünscht. "Dass ein Landsmann Papst geworden ist, erfüllt uns in Deutschland mit besonderer Freude und mit ein wenig Stolz", so Köhler.

An Benedikt XVI. würden große Erwartungen gerichtet. Köhler äußerte die Überzeugung, dass der neue Papst "mit großer Klugheit und Glaubensfestigkeit" diesen Erwartungen begegnen werde.

Köhler sprach gleichzeitig die Überzeugung aus, dass der neue Papst das "große Engagement seines Vorgängers für die Würde des Menschen und den Frieden in der Welt" fortsetzen werde.

Unmittelbar nach der Papst-Wahl erhielt Köhler nach eigenen Angaben ein Glückwunschtelefonat des polnischen Präsidenten Aleksander Kwasniewski, aus dessen Land Johannes Paul II. stammte.

Das hier ist übrigens Papst Hadrian VI. (1522 bis 1523), der letzte deutsche Papst, in einer zeitgenössischen Darstellung. Der gebürtige Adrian Florisz Boeyens aus Utrecht, das damals zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörte, ...

... ging in die Geschichte als glückloser Papst ein. In seine Amtszeit fiel die lutherische Reformation in Deutschland, der er hilflos gegenüber stand.

Wünschen wir dem "Neuen" mehr Glück!

 

... und hoffentlich erinnert er sich manchmal daran, dass er auch einmal jung war - das wäre keine schlechte Perspektive für einen Papst.

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